Studien und Organisationen in Zeiten des Wandels
„Für die Zukunft müssen wir mutig sein und Versorgung und Strukturen neu denken!“ Mit diesen Worten begrüßte Dr. Norbert Marschner am 31. März die rund 180 Teilnehmer des OnkoRats 2017. „Der demografische Wandel der Gesellschaft stellt uns vor ökonomische und medizinische Herausforderungen, die wir gemeinsam angehen müssen. Denn wir sitzen alle in einem Boot.“
Dieser Aufruf galt allen Anwesenden. Denn die steigenden Kosten in der Patientenversorgung machen sich in Kliniken und Praxen, in den Krankenkassen und öffentlichen Stellen bemerkbar. Nur mit vorausschauendem Blick und sektorenübergreifenden Kooperationen lässt sich die Patientenversorgung der Zukunft sicherstellen. Unter dieser Thematik fanden sich alle Vorträge und Sessions der Veranstaltung wieder.
Den Einstieg machte Professor Dr. Nikolas von Bubnoff von der Universität Freiburg mit seiner KeyNote Lecture zur Liquid Biopsy. Mithilfe von Digital Droplet (dd) PCR lassen sich aus winzigen Mengen Blut die ctDNA auf Treibermutationen (driver mutations) analysieren um den Tumor zielgerichtet zu behandeln. Therapiebegleitend lässt sich diese innovative diagnostische Methode auch für ein dynamisches Therapiemonitoring und die Detektion von aufkeimenden Resistenzen einsetzen.
Der Wandel im Design innovativer klinischer Studien wurde von Professor Dr. Florian Lordick, Universitätsklinikum Leipzig, vorgestellt. Er unterstrich in seinem Vortrag, dass die Anforderungen an die klinischen Studien über die letzten Jahre stark gestiegen sind. Wurden 2002 im Mittel 7 Endpunkte pro Studie erhoben, sind es heute bereits 13. Klassische Studien werden der Forderung einer raschen Translation von Grundlagenkenntnissen in die Klinik nicht mehr gerecht. Sie werden von neuen Studiendesigns abgelöst, die z.T. biologisch spezifischer, bzw. flexibler und schneller durchführbar sind: Enrichment-Design, Adaptive Designs, Basket- und Umbrella-Studien.
Das Thema Real World Data (RWD) stand im Fokus vieler Vorträge und Workshops. Bereits in seiner Begrüßung wies Dr. Norbert Marschner auf deren medizinische, politische wie auch ökonomische Bedeutung hin. Letztlich zeigt nur die Kombination von Randomized Clinical Trials (RCT) und RWD die real nützlichen Behandlungen auf. Dr. Thomas Fietz aus Singen vertiefte mit verschiedenen Beispielen dieses Thema weiter. Er präsentierte relevante Studienergebnisse mit Fokus auf die Tumorregister und verwies auf deren Impact für die klinische Arbeit. Das Interesse an den Daten und Analysen ist hoch – national wie auch international. Neue Tumorregister, die heute erweitert als Registerplattformen aufgesetzt werden, gehen an den Start.
Dysregulation von Zellzyklus und Apoptose spielen eine wichtige Rolle bei der Tumorentstehung. Professor Dr. Thomas Decker aus Ravensburg gelang es, die Teilnehmer in seinem Vortrag „Der Tod kommt auf leisen Sohlen“ mit dieser Thematik mitzureißen. CDK 4/6 Inhibitoren sind bereits für das metastasierte Mammakarzinom zugelassen und in der späten klinischen Entwicklung für weitere Tumorentitäten. Aber auch die Apoptose-Induktion durch Bcl-2-Inhibitoren oder Bcl-xl-Mimetika stellen eine wichtige neue Entwicklung für die antineoplastische Therapie dar.
Um den steigenden Anforderungen in der Patientenversorgung gerecht zu werden, sind neben innovativer Diagnostik und Therapieoptionen auch Entwicklungen im Praxis- und Studienalltag erforderlich. Dr. Friedrich Overkamp stellte zum Thema Digitalisierung in der Medizin verschiedene Beispiele zur Vernetzung und Optimierung vor:
- Videokonferenzen für eine möglichst schnelle Diagnostik und Therapieeinleitung
- Smartphone-App für die mobile Überwachung in der Intensivstation
- CANKADO, das digitale Patiententagebuch zur Fernbetreuung und Adhärenzsteigerung in der oralen Krebstherapie
Dr. Norbert Marschner ergänzte, digitale Strukturen reduzieren Behandlungszeiten, optimieren die Logistik und unterstützen Klinische Studien. Die Studiensoftware von iOMEDICO vernetzt, spart Zeit und Ressourcen: Patientenbefragungen über Tablets (PRO Patient), Identifikation geeigneter Studien für den eigenen Patienten bzw. geeigneter Patienten für die eigenen Studien (TRIALS), bis hin zur standardisierten Anamnese über Tabletsysteme (PROtect). Die Direktverbindung von PROtect und TRIALS mit Praxissystemen geht aktuell in die Umsetzung.
Zum Abschluss der Veranstaltung stand das „Onkologische Quartett“ zum Thema Finanzierbarkeit der molekularen Onkologie auf dem Programm. Professor Dr. Dieter-Kurt Hossfeld diskutierte gemeinsam mit Ärzten (Prof. Dr. Diana Lüftner und Prof. Dr. Wolfgang Knauf), Vertretern der Pharmaindustrie (Dr. Peter Kaskel, MSD) und Krankenkassen (Dr. Ursula Marschall, BARMER). Der Spagat zwischen Forschung, Nutzen und Finanzierbarkeit der Versorgung mit innovativen Substanzen nimmt zu. Allein durch eine konsequente Verordnung von Biosimilars können bis zu 5 Milliarden Euro in 3 Jahren gespart werden. Eine molekulare Definition der Patientengruppe ist erforderlich, ebenso wie die unabhängige Quantifizierung des Nutzens neuer Therapien durch Register und Real World Data. Obwohl die Interessen der Teilnehmer sehr unterschiedlich waren, wurde eines sehr deutlich: Wir kommen um ein Überdenken nicht herum, und – wir sitzen alle in einem Boot.
Abgerundet wurde das Programm von zahlreichen Workshops und Dialogen. Nach dem Motto „Alle sind aktiv“ wurden onkologische Indikationen mit konkreten Studienperspektiven diskutiert, neuste Ergebnisse aus klinischen Studien vorgestellt und aktuelle Behandlungsstrategien analysiert. Wie kann die Behandlung verbessert werden? Welche Kriterien für die Therapieentscheidung sind relevant? Welche Fragen sollten mittels Klinischer Studien und welche mittels Tumorregistern untersucht werden?
Eine rundum spannende Veranstaltung mit viel Austausch in guter Atmosphäre. Auf den nächsten OnkoRat 2018 am 20. und 21. April freuen wir uns schon.
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